Die Hufsprechstunde

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Fallbeispiel (3): Schwieriger Beschlag hinten

Gestern nun wurde die Stute L. (vgl. Fallbeispiel 2) auch hinten beschlagen. Wieder wurde sie neben ihren Kollegen gestellt, der zuerst gemacht wurde; sie war insgesamt ruhiger als beim ersten Mal, allerdings sah es erst nicht gut aus. Sie konnte das linke Hinterbein nur kurz anheben, ich ließ sie öfter treten und zog die Nägel einzeln und verkürzte alle Arbeitsschritte soweit, wie sie eben den Hinterhuf angehoben lassen konnte. Am rechten Hinterbein sah es dann noch ungünstiger aus. Sobald der Huf angehoben wurde, machte sie einen Buckel, streckte das Fesselgelenk, knallte derart auf den Boden, dass sie durch ihre Anspannung ca. 30-40 cm auf den Hinterbeinen nach vorne schlitterte (wie bei einem Stopp). Da sie aber im Rücken weniger verspannt war als vor einer Woche, hatte ich den Eindruck, dass sie sich durch diesen „Trick“ auch zu entziehen versuchte. Deshalb habe ich dann nach dem Anheben der Gliedmaße die abgeknickte Fessel fixiert (d.h. die Streckung im Fesselgelenk nicht zugelassen). Und siehe da, die kleine „Auseinandersetzung“ half, sie akzeptierte das weitere. Wieder mit öfteren Tretenlassen, mit viel Ruhe und Lob bekamen wir dann die Eisen drauf, ich konzentrierte mich auf das richtige Aufhalten, mein Mitarbeiter konnte die Eisen richten und aufbrennen. Entscheidend war

1)die Höhe der aufgehobenen Gliedmaße und die Dauer des Aufhaltens nicht zu erzwingen, sondern die machbare Position zu suchen und zu akzeptieren. Mein Mitarbeiter und ich arbeiteten also 20 cm über dem Boden, machten Spagat und allerlei Verrenkungen.
2)Keine Zeitvorgabe zu machen; ich hatte mich darauf eingerichtet, auch das Ganze abzubrechen, wenn es nicht stressfrei zu machen war.
3)Den Punkt der Verspannung und folgenden Stressverhaltens zu vermeiden; die Stute zeigte durch ihr Verhalten, dass sie unterhalb dieses „Spannungspunktes“ bleiben konnte und das über längere Zeit.
4)Ganz entscheidend war das sehr korrekte Verhalten von L., nie gegen uns zu gehen (durch Treten, Umdrücken o.ä.), andernfalls hätte ich nicht in relativ gefährlichen Positionen gearbeitet (sehr gebeugt, ganz lockeres Halten des Hufes); L. hat allenfalls versucht sich zu entziehen – damit kann man aber arbeiten.
5)Es kam eine Kommunikation zwischen dem Tier und uns zustande. Sie begann die Gliedmaßen schon anzuheben oder auf die Zehe zu stellen, wenn ich sie per Stimme und Handbewegung dazu aufforderte – d.h. sie kooperierte.

Das Ganze endete freundlich, wir waren auch von der Zeit her im Limit. Insbesondere war keine Sedierung oder Nasenbremse nötig, die bei einem solchen Tier eher zu Stressverhalten führt. Ingesamt war die Stute L.weniger ängstlich-fahrig, sie hielt alles besser aus; ich denke, sie wird bei den nächsten Terminen noch stabiler werden. Entscheidend ist, dass wir für sie berechenbar, einschätzbar bleiben. Jeder überraschende, etwa cholerische Aussetzer würde uns wieder zurückwerfen, das aufgebaute Vertrauen wieder stören.
Vielleicht erscheint das Ganze den hartgesottenen Kollegen affig, aber 1) habe ich keinerlei Stress oder eine Verletzung abbekommen und habe den Vorteil, dass es 2) bei den nächsten Terminen ähnlich oder besser gehen wird und sich damit 3) gesundheitlich wie wirtschaftlich auf die Dauer rechnet.

eingetragen am 19.08.2011, 21:29 Uhr

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